Luftverschmutzung und ihre Folgen

Luftverschmutzung und ihre Folgen
Luftverschmutzung und ihre Folgen
 
Unabhängig von ihrer Herkunft bezeichnet man alle vom Menschen in die Luft freigesetzten Stoffe als Luftverunreinigung, sofern sie die natürliche Zusammensetzung der Luft verändern. Dabei ist es gleichgültig, ob die Stoffe fest, flüssig oder gasförmig sind. Luftverunreinigungen können also etwa Ruß, Staub, Rauch, Aerosole, Dämpfe, Geruchsstoffe oder Gase sein. Wie viele luftverunreinigende Stoffe es gibt, lässt sich nicht exakt angeben; ihre Zahl dürfte heute zwischen 1400 und 1600 liegen. Etliche davon — aber keineswegs alle — sind Schadstoffe, nämlich diejenigen Stoffe, von denen eine negative Wirkung auf Lebewesen und Sachgüter ausgeht oder die durch eine dauerhafte Veränderung der atmosphärischen Zusammensetzung die natürlichen Kreisläufe und Ökosysteme schädigen. Allein die jährlichen volkswirtschaftlichen Verluste durch Schäden an Gebäuden und Stahlbauten sowie der zusätzliche Reinigungsaufwand liegen für Deutschland schon bei über zwei Milliarden DM — die durch globale Effekte wie den Treibhauseffekt oder das Ozonloch hervorgerufen Schäden lassen sich noch nicht einmal im Ansatz abschätzen.
 
 Wahrnehmung von Luftverunreinigungen
 
Während globale Klimaeffekte erst in den letzten Jahrzehnten auftraten oder ins öffentliche Bewusstsein gelangt sind, sind staub- und gasförmige Emissionen aus technischen Anlagen schon seit dem Altertum bekannt. In vielen Fällen können wir Menschen Änderungen der natürlichen Luftzusammensetzung ganz direkt feststellen: Es stinkt, oder die Sicht wird schlecht. Etliche Luftverschmutzungen führen beim Menschen unmittelbar zu Belästigungen, physischen oder psychischen Beeinträchtigungen, manche zu Krankheit, einige gar zum Tod. Daher reichen die Berichte über lokale Luftverschmutzungen weit in die Vergangenheit zurück. In der vorindustriellen Zeit betraf dies vornehmlich die offenen Feuerstätten in den Behausungen, das Hüttenwesen, Töpfereien, Gerbereien und Räuchereien. Neben dem Hausbrand sind es seit dem 19. Jahrhundert vor allem die mit dem Dampfmaschineneinsatz verbundenen industriellen Prozesse, die Anlass sowohl zur Klage als auch zu behördlichen und technischen Maßnahmen gaben. Im Allgemeinen galten rauchende Schornsteine jedoch meist nicht als Problem, sondern als Inbegriff des technischen Fortschritts und als unvermeidbares Nebenprodukt einer florierenden wirtschaftlichen Tätigkeit. Der Natur wurde eine unbegrenzte Aufnahme- und Regenerationsfähigkeit zugeschrieben. Hinzu kam eine weitgehende Unkenntnis über die Langzeitwirkungen extremer Expositionen oder auch von nicht wahrnehmbaren, aber ständig vorhandenen Grundbelastungen.
 
Dem Problem der »dicken Luft« wurde erst entschiedener begegnet, als sich um die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts Smogsituationen in industriellen Ballungsgebieten häuften. In den letzten dreißig Jahren — spätestens mit dem ersten Bericht an den Club of Rome (»Die Grenzen des Wachstums« von Dennis Meadows, 1972) — wird die Luftverschmutzung als Teil der gesamten Umweltproblematik und zunehmend als erdumfassendes Problem betrachtet.
 
 Herkunft anthropogener Luftschadstoffe
 
Aus der Vielzahl der luftverunreinigenden Stoffe sind einige von besonderer Bedeutung. Dazu gehören solche Gase, die das Klima beeinflussen (»klimarelevante Gase«), wie beispielsweise Kohlendioxid (CO2) und Ozon (O3). Weiterhin sind diejenigen Stoffe wichtig, die in Verbindung mit der Luftfeuchtigkeit Säuren bilden und zum sauren Regen beitragen, beispielsweise Stickstoff- oder Schwefelverbindungen. Gasförmige Schadstoffe stammen hauptsächlich aus industriellen und privaten Anlagen zur Energieerzeugung (hier entstehen vor allem Kohlendioxid und Schwefeldioxid, SO2) und dem (Straßen-)Verkehr (Stickoxide wie NO2, Kohlenmonoxid, CO) sowie Industrieprozessen (Lachgas, N2O). Das Gas Methan (CH4) trägt wie Kohlendioxid zum Treibhauseffekt bei, es wird bei der Tierhaltung, in der Land- und Abfallwirtschaft sowie bei Förderung und Verteilung von fossilen Brennstoffen (besonders Erdgas) freigesetzt. Flüchtige organische Verbindungen (ohne Methan; die englische Abkürzung hierfür ist NMVOC, dies steht für »non-methane volatile organic compounds«) werden bei der Verwendung von Lösungsmitteln und im Straßenverkehr freigesetzt. Zu den berühmt-berüchtigten Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW), die als Hauptursache für die Zerstörung der Ozonschicht angesehen werden, gehören etwa die Gase CF4 und C2F6. Ein ebenfalls nicht zu unterschätzendes Ozonzerstörungspotenzial besitzen FCKW wie die Halone (teilhalogenierte Kohlenwasserstoffe, HFC) und das sehr beständige Gas Schwefelhexafluorid (SF6). Schließlich hat Staub ebenfalls große Bedeutung als Luftverunreinigung. Je nach Herkunft und Art können Stäube mit schwermetallhaltigen Verbindungen und anderen problematischen, oft Krebs erregenden Stoffen belastet sein. Zu Staubemissionen kommt es insbesondere beim Schüttgutumschlag, bei vielen Industrieprozessen sowie Feuerungsanlagen.
 
Seit der Katastrophe in einem Chemiewerk im italienischen Seveso ist zudem die Gefährlichkeit von Dioxin- und Furanemissionen offensichtlich geworden. Voraussetzungen für die Bildung dieser Stoffe sind Kohlenstoffpartikel, Chlor, katalytisch wirkende Materialien (beispielsweise Kupfer), Sauerstoff, eine ausreichende Verweilzeit und Temperaturen von 200 bis 450 Grad Celsius. Dies sind Bedingungen, wie sie auch in Müllverbrennungsanlagen oder Anlagen zur Abgasreinigung herrschen.
 
Die wichtigsten Auswirkungen der anthropogenen Luftverunreinigungen sind heute weitgehend bekannt, allerdings nicht in allen Fällen vollständig verstanden. Schlagworte sind Smog, Ozonloch, Treibhauseffekt, saurer Regen und neuartige Waldschäden (»Waldsterben«).
 
 Smog
 
Schon im 19. Jahrhundert wurde in London beobachtet, dass die Anzahl der Nebeltage besonders in den nasskalten Monaten stark anstieg. London ist einerseits durch seine geographische Lage für Nebel prädestiniert, andererseits wurde dort schon im frühen neunzehnten Jahrhundert sehr viel Kohle in Industriebetrieben und privaten Haushalten verbrannt. Kohle ist schwefelhaltig, sodass bei ihrer Verbrennung neben Kohlendioxid, Kohlenmonoxid und festen Schwebstoffen (Ruß, Asche) auch Schwefeldioxid entsteht. Sind Schwebstoffteilchen vorhanden — und das war bei der eingesetzten Feuerungstechnik häufig der Fall —, oxidiert Luftsauerstoff in feuchter Umgebungsluft das Schwefeldioxid zu Schwefelsäure: Es bilden sich schwefelsaure, Atmungsorgane und Gebäude schädigende Nebeltröpfchen. Dieser Londonsmog tritt besonders in den Morgen- und Abendstunden im Winter auf. Der Begriff Smog wurde in England geprägt und setzt sich aus smoke (Rauch) und fog (Nebel) zusammen.
 
In Deutschland tritt häufiger eine andere Art des Smogs auf, der Sommersmog (Photosmog oder Los-Angeles-Smog), bei dem sich unter Einwirkung von starkem Sonnenlicht (»photochemisch«) Ozon bildet. Das liegt vor allem an den eingesetzten Feuerungstechnologien, die typischerweise mit hohen Verbrennungstemperaturen arbeiten (wie etwa in Steinkohlekraftwerken oder Verbrennungsmotoren). Bei hohen Temperaturen kann nämlich auch der Luftstickstoff mit Sauerstoff reagieren, wobei Stickoxide entstehen. Und diese tragen bei intensiver Sonneneinstrahlung zur Bildung von Ozon bei, einem stechend riechenden Gas, das aus drei Sauerstoffatomen (O3) besteht. Die Anwesenheit flüchtiger Kohlenwasserstoffe — etwa aus unverbranntem Benzin, das aus dem Auspuff der Kraftfahrzeuge entweicht — begünstigt diesen Prozess. Am Abend, in der Nacht oder an trüben Tagen reagiert Ozon mit anderen Luftverunreinigungen — auch aus Autoabgasen — und wird dabei wieder verbraucht. Deshalb wird Ozon in Gegenden mit wenig Autoverkehr langsamer abgebaut als in verkehrsreichen Städten.
 
Im Ruhrgebiet kam es Ende 1962 zu einer besonders schwerwiegenden Smogsituation, in deren Folge ein Smogwarndienst eingerichtet wurde. Heute haben die Bundesländer für smoggefährdete Gebiete Verordnungen erlassen, in denen je nach Höhe der Schadstoffkonzentration verschiedene Alarmstufen mit entsprechenden Maßnahmen festgelegt sind. Diese Maßnahmen reichen bis hin zum Verbot des privaten Kraftfahrzeugverkehrs oder zu Betriebsbeschränkungen für einzelne Industriebetriebe.
 
Für den Sommer 1999 plante das Bundesumweltministerium eine neue, bundeseinheitliche Regelung für das Verhalten beim Auftreten von Smog.
 
 Das Ozonloch
 
Ozon ist in sehr geringer Konzentration in der Luft enthalten. Als natürlicher Bestandteil der Luft befindet es sich überwiegend in der Stratosphäre und absorbiert dort die ultraviolette Strahlung (UV-Strahlung) der Sonne. Dadurch beeinflusst das Ozon entscheidend die Lebensbedingungen auf der Erde, denn intensive ultraviolette Strahlung beeinträchtigt menschliches, tierisches und pflanzliches Leben, unter anderem durch eine Erhöhung der Krebsgefahr.
 
Dass die Ozonschicht durch anthropogen freigesetzte Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) und Stickoxide zerstört wird, ist seit Ende der Siebzigerjahre bekannt. Eine antarktische Forschungsstation beobachtete erstmals im antarktischen Spätwinter 1979, dass die Ozonkonzentration in der Stratosphäre über der Antarktis abgenommen hat, dass die Ozonschicht dort sozusagen ein riesiges Loch besitzt. Dieses Ozonloch wird seitdem jedes Jahr gegen Ende des antarktischen Winters (also etwa ab September) beobachtet und hat mittlerweile die Größe der Vereinigten Staaten erreicht. Es beeinflusst zunehmend die südliche Hemisphäre, so hat Australien inzwischen die weltweit höchste Hautkrebsrate. Aber auch über der nördlichen Halbkugel wird die Ozonschicht im Spätwinter (Februar/März) von Jahr zu Jahr dünner, sodass auch in Europa in Zukunft gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten sind.
 
Zum Abbau des stratosphärischen Ozons tragen die Fluorchlorkohlenwasserstoffe dadurch bei, dass sie einerseits unter »normalen« Bedingungen in der unteren Atmosphäre außerordentlich stabil sind. Andererseits können sie aber in der Stratosphäre, insbesondere bei sehr kalten Temperaturen und in Anwesenheit von Stickoxiden, sehr reaktionsfreudig werden: Ein einziges aus Fluorchlorkohlenwasserstoffen freigesetztes Chloratom kann durch Kettenreaktionen 10 000 Ozonmoleküle zerstören.
 
Insgesamt gibt es zum Verständnis des stratosphärischen Ozonabbaus aber auch noch ungeklärte Fragen. Auch natürliche Vorgänge können zum Ozonloch beitragen. So schleuderte der gewaltige Ausbruch des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen im Jahr 1991 etwa 20 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Stratosphäre. In den beiden Folgejahren war das Ozonloch besonders groß, sodass vermutlich ein Zusammenhang zwischen dem Vulkanausbruch und der Größe des Ozonlochs besteht, der den rein anthropogenen Einfluss überdeckt.
 
Zur Produktionsminderung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (und anderen halogenierten Kohlenwasserstoffen) gelten inzwischen internationale Vereinbarungen (Montrealer Protokoll von 1987 und nachfolgenden Abkommen). Die deutsche FCKW-Halon-Verbots-Verordnung von 1991 geht noch einen Schritt weiter: Sie hat zum Ausstieg aus der Produktion solcher Verbindungen in Deutschland geführt. So werden seit 1995 in Spraydosen nur noch FCKW-freie Treibmittel verwendet (Ausnahme: Medizinalsprays).
 
 Der Treibhauseffekt
 
Betrachtet man nur die Energiebilanz von einfallendem sichtbaren Sonnenlicht und der (energieärmeren) Infrarotstrahlung, die von der Erde wieder in das Weltall abgegeben wird, so müsste die mittlere Temperatur der Erdoberfläche —18 Grad Celsius betragen. Die Erdoberfläche ist jedoch mit durchschnittlich +15 Grad Celsius merklich wärmer. Dies bewirken Wasserdampf, Kohlendioxid, Methan, Lachgas und Ozon durch den natürlichen Treibhauseffekt. Wolken und etliche Spurengase lassen nämlich nur die energiereiche sichtbare Strahlung passieren, wie sie von der Sonne kommt. Sie sind dagegen kaum durchlässig für die relativ langwellige Infrarot- oder Wärmestrahlung, wie sie von der Erdoberfläche zurückgestrahlt wird. Damit wirken sie genauso wie das gläserne Dach eines Treibhauses, das den Innenraum ebenfalls aufheizt. Die in dieser Form klimawirksamen Spurengase werden auch Treibhausgase genannt.
 
Werden nun vom Menschen zusätzlich Spurengase freigesetzt, die als Treibhausgase wirken, so verstärken sie den natürlichen Treibhauseffekt und bewirken eine weitere Temperaturerhöhung; ihr Beitrag heißt anthropogener Treibhauseffekt. Ganz besonders stark trägt das relativ häufige Kohlendioxid zum Treibhauseffekt bei. An zweiter Stelle stehen die vor allem als »Ozonschichtzerstörer« bekannten Fluorchlorkohlenwasserstoffe — und dies, obwohl ihre Konzentration in der Atmosphäre nur ein Millionstel derjenigen von Kohlendioxid beträgt. Einen weiteren wichtigen Beitrag leistet der Wasserdampf, vor allem weil wärmere Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann und es so zu einer verstärkenden Rückkopplung kommt: Je wärmer es wird, desto mehr Wasserdampf kann zur weiteren Erwärmung beitragen. Aerosole wirken dagegen einer Erwärmung der Atmosphäre entgegen, sie führten dazu, dass die Prognosen zur weiteren Erwärmung des Erdklimas etwas nach unten korrigiert wurden. Der Erdboden und die untere Atmosphäre sind heute als Folge des anthropogenen Treibhauseffekts bereits etwa 0,5 bis 0,7 Grad wärmer als in vorindustrieller Zeit.
 
Klimamodellrechnungen zeigen, dass die globale mittlere Oberflächentemperatur und der Meeresspiegel so weit ansteigen werden, dass sich die Niederschlagsverteilung auf der Erde verschieben und die Wahrscheinlichkeit extremer Wetterereignisse erhöhen wird. Wie sich der globale Temperaturanstieg konkret regional auswirken könnte, lässt sich dagegen gegenwärtig noch nicht mit Sicherheit voraussagen. Allerdings ist klar, dass die Änderungen in den vorwiegend trockenen Gebieten der Erde deutlicher ausfallen werden als beispielsweise in den gemäßigten Klimazonen, wie sie für die Industrieländer typisch sind. So sind diejenigen Länder weniger stark betroffen, die den größten Beitrag zum Treibhauseffekt liefern. Als besonders kompliziert erweist sich bei den Modellrechnungen die erhebliche zeitliche Verzögerung zwischen der Emission der Treibhausgase und den Auswirkungen der Klimaänderungen. Eine weitere Unsicherheit ergibt sich aus möglichen Veränderungen von globalen Meeresströmungen. Es könnte dabei sogar zu einem Zusammenbrechen des Golfstroms kommen, wodurch sich für Mittel- und Nordeuropa bei gleichzeitiger globaler Erwärmung ein deutlich kälteres Klima ergeben könnte!
 
Weltweites Handeln ist nötig. Auf dem ersten Umweltgipfeltreffen 1992 in Rio de Janeiro wurde eine internationale Klimarahmenkonvention vereinbart. Mit ihr bekannten sich die Teilnehmerländer zu dem Ziel, die Emissionen so weit zu senken, dass sich die Ökosysteme auf eine natürliche Weise den Klimaänderungen anpassen können — allerdings gab es noch keine konkreten Vereinbarungen hierzu. Auf der Klimaschutzkonferenz von Kyoto wurde am 11. Dezember 1997 ein »Klimaprotokoll« verabschiedet, mit dem sich die westlichen und östlichen Industrieländer rechtsverbindlich verpflichten, ihre Treibhausgasemissionen insgesamt bis zum Zeitraum 2008 bis 2012 zu senken. Dabei gelten für die einzelnen Länder unterschiedliche Zielsetzungen; einige Staaten dürfen sogar bestimmte Luftschadstoffe in größerer Menge emittieren als bislang. Die Europäische Union strebte an, die Emissionen für alle Mitgliedsländer um einheitlich 15 Prozent zu senken, konnte dieses Verhandlungsziel aber nicht erreichen.
 
 
Fossile Brennstoffe wie Kohle und Öl sind heute die wichtigsten Rohmaterialien zur Energieerzeugung. Bei ihrer Verbrennung werden große Mengen Schwefelverbindungen, vor allem Schwefeldioxid, freigesetzt. Der immer dichter werdende Straßenverkehr führt daneben zu einem anwachsenden Ausstoß von Stickoxiden. In der Atmosphäre reagieren Schwefeldioxid und Stickoxide weiter, es bilden sich durch Oxidation und in Gegenwart von Wasser Schwefel- und Salpetersäure. Der größte Teil der Säurebelastung der Luft stammt in Deutschland aus menschlicher Tätigkeit: Durch anthropogene Emissionen ist der Säuregehalt der Luft auf ungefähr das Zehn- bis Zwanzigfache des natürlichen Werts gestiegen. Heute ist Regen in vielen Gebieten Europas oftmals fast so sauer wie haushaltsübliche verdünnte Essigsäure.
 
Die Schadstoffe können je nach Wetterlage in der näheren Umgebung der Erzeugungsstelle bleiben und hier zu Smog führen, sie können aber auch durch Winde über große Entfernungen transportiert werden. Die Säuren bilden sich teilweise erst während des Transports, lösen sich im Wasser oder in der Luft und gehen als saurer Regen, saurer Schnee, Nebel oder Tau nieder. Durch den weiträumigen Schadstofftransport sind auch Gegenden betroffen, die weitab von Ballungsgebieten mit besonders hohen Emissionen liegen. Zunächst fielen vom sauren Regen verursachte sichtbare Umweltschäden in Skandinavien auf: Dort kam es in vielen Seen zu einem Fischsterben. Heute wird er in Mitteleuropa zu einem mit Waldschäden in Verbindung gebracht, zum anderen mit Schäden an Gebäuden, technischen Einrichtungen und vor allem Kulturgütern und Denkmälern, die im Freien stehen. Viele Skulpturen an Kirchen oder antiken Baudenkmälern sind bereits völlig unkenntlich geworden.
 
 Neuartige Waldschäden
 
Waldschäden sind eine bereits seit mehr als 250 Jahren bekannte Erscheinung. So lange wird bereits ein durch unzureichende ökologische Bedingungen periodisch auftretendes Tannensterben in Mitteleuropa beobachtet. Die erste Waldschadenskarte wurde vor über hundert Jahren, nämlich 1883, erstellt. Ursache der Schäden waren fast immer die Schwefeldioxidemissionen aus nahe gelegenen Fabrikschornsteinen. In der Folge wurden die Schornsteine höher gebaut (bis zu 150 Meter), woraufhin die Rauchschäden in der unmittelbaren Umgebung der Fabriken zurückgingen. Gleichzeitig traten Schäden bei weiter entfernten Waldbeständen auf. Obwohl diese Schäden nun nicht mehr den Emissionen einer bestimmten Fabrik zuzuordnen waren, konnten sie dennoch als Rauchschäden identifiziert werden. Dies ist bei den seit Anfang der 1970er-Jahre beobachteten neuartigen Waldschäden nicht mehr der Fall. Vielmehr sind jetzt großflächige Waldbestände in Reinluftgebieten fernab der industrialisierten Ballungszentren und vornehmlich Tannen und Fichten in besonders lichtempfindlichen Lagen (Einzel- oder Randlage, Kammlage, Südwesthänge) betroffen. Die geschädigten Bäume stehen vor allem auf wenig nährstoffreichen Böden in Mittel- und Hochgebirgslagen Mittel- und Westeuropas.
 
Das Ausmaß der Waldschäden wird in fünf verschiedenen Schadstufen angegeben, wobei die höchste Schadstufe (abgestorben) den Zustand kennzeichnet, der in der öffentlichen Diskussion zu dem Begriff »Waldsterben« geführt hat. Die neuartigen Waldschäden unterscheiden sich deutlich von den äußerlich sichtbaren Schadensbildern bisher bekannter Immissionswirkungen. So wird bei den neuartigen Waldschäden ein Baum von innen nach außen geschädigt, er verkahlt von innen heraus.
 
Die Wirkmechanismen, die zu den neuartigen Waldschäden führen, sind noch nicht vollständig geklärt. Allerdings steht fest, dass für die großflächige Schädigung in erster Linie die anthropogen verursachten Luftverschmutzungen verantwortlich sind. Insgesamt wirken jedoch viele biotische und abiotische Faktoren zusammen. Als Hauptverursacher gelten Schwefeldioxid (SO2), Stickoxide (NOx) und Ozon (O3). Im Boden stört der erhöhte Säuregehalt das biologische Gleichgewicht und setzt pflanzengiftige Metallionen (etwa Aluminiumionen) frei. Als weitere Ursachen kommen noch Perioden starker Trockenheit, Nährstoffmangel und Schädlingsbefall hinzu.
 
Dr. Klaus-Peter Meinicke
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Luftreinhaltung: Technische Maßnahmen
 
 
Baumbach, Günter: Luftreinhaltung. Entstehung, Ausbreitung und Wirkung von Luftverunreinigungen. Meßtechnik, Emissionsminderung und Vorschriften. Berlin u. a. 31994.
 
Einfluß von Luftverunreinigungen auf die Vegetation. Ursachen - Wirkungen - Gegenmaßnahmen, herausgegeben von Hans-Günther Däßler. Jena 41991.
 Förstner, Ulrich: Umweltschutztechnik. Eine Einführung. Berlin u. a. 51995.
 Fellenberg, Günter: Chemie der Umweltbelastung. Stuttgart 1990.
 Friedrich, Rainer: Umweltpolitische Maßnahmen zur Luftreinhaltung. Kosten-Nutzen-Analyse. Berlin u. a. 1993.
 Heintz, Andreas / Reinhardt, Guido A.: Chemie und Umwelt. Ein Studienbuch für Chemiker, Physiker, Biologen und Geologen. Braunschweig u. a. 41996.
 Kalusche, Dietmar: Ökologie in Zahlen. Eine Datensammlung in Tabellen mit über 10 000 Einzelwerten. Stuttgart u. a. 1996.
 Marquardt-Mau, Brunhilde u. a.: Umwelt. Lexikon ökologisches Grundwissen. Neuausgabe Reinbek 1993.
 
Nachhaltige Entwicklung in Deutschland. Entwurf eines umweltpolitischen Schwerpunktprogramms, herausgegeben vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Bonn 1998.
 
Umweltgutachten 1996, herausgegeben vom Rat von Sachverständigen für Umweltfragen. Stuttgart u. a. 1996.
 
Was Sie schon immer über Luftreinhaltung wissen wollten, Beiträge von Joachim Abshagen u. a.Bearbeitet von Volkhard Möcker u. a. Neuausgabe Stuttgart u. a. 1992.

Universal-Lexikon. 2012.

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